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Vormals NVersZ V Info-Letter
ersicherungs- und Haftungsrecht
In Zusammenarbeit mit der Neuen Juristischen Wochenschrift Nr. 15 · 14. August 2003
Schriftleiter: Rechtsanwalt Dr. Theo Langheid, Köln Editorial
Aktuelles Thema
BB – oder: die Macht der Rating - Agenturen
RA Dr. Henning Seel: Erst erteilt ein großes Wirtschaftsunternehmen einen Dienstleistungs- Haftung bei Schwerlasttransport auftrag, gibt im Zuge der Durchführung sämtliche Unternehmensge- heimnisse preis, zahlt für die Ersterbringung der Dienstleistung ebenso beträchtliche Honorare (bis zu 80.000 €) wie für die Bestandspflege (ca. 30.000 €) und zittert EU-Umwelthaftung 172 dann vor dem Ergebnis: Die Rede ist vom interaktiven Rating, also von der „mittel- bis langfristigen" Bonitätsbe- wertung" des analysierten Auftraggebers durch sog. Ratingagenturen. BGH: Tankfehler Die verschiedenen Spielarten des Ratings sind ebenso vielfältig wie die Beurteilungskriterien undurchsichtig sind. Dabei ist die Beurteilung der LG München I: Grundstücks- und „mittel- bis langfristigen Bonität" des Unternehmens schon deswegen Mietrechtsschutz fragwürdig, weil keineswegs feststeht, aus wessen Sicht diese Beurtei- lung eigentlich vorgenommen wird: Das, was für den Verbraucher gut ist, nämlich eine großzügige Schadenregulierung bei gleichzeitiger BGH: Unwiderrufliches Bezugsrecht kostenintensiver Pflege der Verbraucherschutzrechte, kann für den OLG Köln: Abtretungsanfechtung Kapitalanleger das genaue Gegenteil bedeuten, nämlich schlechte Un- ternehmensergebnisse, eine Gefährdung der Solvabilität und einen mangelhaften return on equity. Hinzu kommen kryptische Beurtei- BGH: Gliedertaxe unklar lungskriterien, die denen von Analysten in nichts nachstehen. Diese Unzulänglichkeiten stehen in diametralem Gegensatz zur Bedeu- BGH: Offenlegung eines Gutachtens tung der Ratings: von einem guten, zumindest aber akzeptablem Ab- AG Mannheim: Viagra schneiden hängen nicht nur Plazierungen in den veröffentlichten Ran- kings ab, sondern auch konkrete Geschäftsabschlüsse; ebenso werden BGH: Fehlerhaftes Verkehrswert- Unternehmenskäufe und Kaufpreisgestaltungen gnadenlos dem Rating des betroffenen Unternehmens unterworfen. OLG Bremen: Schleudertrauma- Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, sondern zu begrü- ßen, wenn Jochen Sanio, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienst- Brandenburgisches OLG: Subunter- leistung (BaFin) in seinem FAZ-Interview vom 05.07.2003 (erste und vorsichtige) Überlegungen zur staatlichen Kontrolle auch von Rating- LG Dortmund: Sperrfläche Agenturen anstellt. Solche Überlegungen sind nur folgerichtig: Wer LG Trier: Dienstfahrt - im Verbraucherinteresse - über das Wohl und Wehe von Banken und Sonstiges
Versicherungen zu wachen hat, dem muss auch ein gesetzlich geregel- OLG Karlsruhe: Zuständigkeit im tes Kontrollrecht über jene Kontrolleure eingeräumt werden, deren Beurteilung für das Wohl oder Wehe der gerateten Unternehmen un- LG Itzehoe: Abgesagter OP-Termin mittelbar verantwortlich ist. Deshalb: Ratet die Rater! Verbindliche AG Bad Homburg v.d.H.: PKW- Rating-Kriterien und ein allseits verbindliches Rating- und Publizitäts- modell sind von Nöten. Rechtsanwalt Dr. Theo Langheid Mit Internet-Volltext-Service www.IVH.beck.de der besprochenen Entscheidungen
Verlag C. H. Beck München und Frankfurt a.M.
170 Info-Letter Versicherungs- und Haftungsrecht
Aktuelles Thema
Eigentums – etwa eines Bürgersteigs, weil der den Transport begleitende Polizeibeamte einen Lkw dort- hin dirigiert, um dem Schwerlasttransport eine unge- Verschuldensunabhängige Haftung bei
hinderte Fortsetzung der Fahrt zu ermöglichen – so Durchführung eines Schwerlasttransportes? stellt sich die Frage nach der Ersatzpflicht der betei-
ligten Personen. Drei Schuldnergruppen kommen in dieser Konstellation in Betracht: (1) das Land NRW Von Rechtsanwalt Dr. Henning Seel*
wegen der fehlerhaften Weisung1 des Polizeibeamten; (2) Fahrer und Halter des Lkw nebst Haftpflichtversi- Die von dem "Initiator" eines Schwerlasttransportes cherer wegen des Auffahrens mit dem Lkw auf den im Rahmen der Erlaubniserteilung abzugebene Haf- Bürgersteig; (3) der „Initiator" des Schwerlasttrans- tungserklärung verstößt in Hinblick auf die darin vor- portes (im folgenden: Erlaubnisnehmer), der die vor- gesehene verschuldensunabhängige Haftung gegen zitierte Haftungserklärung abgeben hat. § 307 Abs. 2 Ziff. 1 BGB und das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip. III. Haftungstatbestände
I. Erlaubniserteilung nach Abgabe einer Haftungs-
erklärung
Im Folgenden soll diese Frage auf der Grundlage des vorstehenden Beispiels2 einer näheren Untersuchung Schwerlasttransporte sind ein bekanntes Bild auf den unterzogen werden, wobei der Schwerpunkt auf der Straßen im gesamten Bundesgebiet. Dennoch können Frage nach einer etwaigen Haftung des Erlaubnis- sie nicht ohne weiteres durchgeführt werden; es bedarf nehmers (3) liegen soll. vielmehr einer Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 S. 1 StVO: (1) Haftung des Landes NRW
„Einer Erlaubnis bedarf der Verkehr mit Fahrzeu- Anknüpfungspunkt für eine derartige Haftung ist zu- gen und Zügen, deren Abmessungen, Achslasten nächst § 67 PolG NW i. V. m. § 39 Abs. 1 lit. b) OGB oder Gesamtgewichte die gesetzlich allgemein NW (a), ferner § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG (b).
zugelassenen Grenzen tatsächlich überschreiten." (a) Voraussetzung für eine Haftung des Landes NRW
Wird nun eine entsprechende Erlaubnis bei der zustän- als Entschädigungspflichtiger (vgl. §§ 42 Abs. 1 S. 1, digen Straßenverkehrsbehörde (§ 46 StVO) beantragt, 45 Abs. 1 S. 1 OBG NW) ist insoweit, dass der Scha- so erhält man regelmäßig ein Formular, dessen inte- den unmittelbar durch eine rechtswidrige Maßnahme graler Bestandteil eine Haftungserklärung ist; diese hat der Ordnungs- resp. Polizeibehörde verursacht worden der Antragssteller durch Leistung seiner Unterschrift ist. Hier hat der Polizeibeamte aufgrund (zu unterstel- gegenüber der Straßenverkehrsbehörde abzugeben. lender) vorwerfbarer Fehleinschätzung der Sachlage Ohne eine derartige Erklärung wird die Erlaubnis nicht den Lkw auf den Bürgersteig geleitet. Eine rechtswid- erteilt. Eine typische „Haftungserklärung" lautet bei- rige Maßnahme im Sinne von § 39 Abs. 1 lit. b) OBG spielsweise wie folgt: NW liegt damit vor. Bedenken hinsichtlich einer Haf- tung des Landes bestehen jedoch im Hinblick auf § 36 „Soweit durch den Transport Schäden entstehen, Abs. 2 S. 1, Hs. 2 StVO: Die Beschädigung des Bür- verpflichte ich mich/verpflichten wir uns, für gersteigs hat ihre Ursache letztlich darin, dass der Schäden an Straßen und deren Einrichtungen so- Fahrer des Lkw unter Verstoß gegen die ihm weiter- wie an Eisenbahnanlagen, Eisenbahnfahrzeugen, hin obliegenden Sorgfaltspflicht (auch dies soll hier sonstigen Eisenbahngegenständen und Grundstü- unterstellt werden) und damit unter Verstoß gegen cken aufzukommen und Straßenbaulastträger, Po- § 36 Abs. 1 S. 2, Hs. 2 StVO der Weisung des Poli- lizei, Verkehrssicherungspflichtige und Eisen- zeibeamten „blind" Folge leistete. Bei dieser Sachlage bahnunternehmer von Ersatzansprüchen Dritter, ist von einer Unterbrechung des Zurechnungszu- die aus diesen Schäden hergeleitet werden, freizu- stellen. Ich verzichte/Wir verzichten ferner dar- auf, Ansprüche daraus herzuleiten, dass die Stra- ßenbeschaffenheit nicht den besonderen Anforde- rungen des Transportes entspricht." * Rechtsanwalt in der Kanzlei Wiedemann & Ecke in Harsewinkel 1 Es ist zu unterstellen, dass die Verkehrssituation – bei sachge- rechter Würdigung – eine derartige Maßnahme unter keinem II. Ersatzpflichtige bei der Beschädigung fremden Gesichtspunkt erforderte.
Eigentums
2 Dieser Fall hat sich im Mai 2000 im Kreis Gütersloh tatsächlich ereignet und war Gegenstand des Verfahrens 14 C 8/02 beim AG Kommt es nun während der Durchführung des Gütersloh sowie des Berufungsverfahrens 22 S 49/03 beim LG Schwerlasttransportes zu einer Beschädigung fremden Bielefeld. Info-Letter Versicherungs- und Haftungsrecht 171
sammenhangs zwischen rechtswidriger behördlicher Grundgedanken des BGB vor, führt dies zur Unwirk- Maßnahme und Schaden auszugehen. samkeit der in Rede stehenden Allgemeinen Ge- schäftsbedingung. (b) Grundlage einer Haftung des Landes NRW könnte
ferner die Amtshaftung gem. § 839 Abs. 1 BGB, Art. Besonderer Begründung bedarf indes die Anwendbar- 34 S. 1 GG sein. Aber auch dies begegnet erheblichen keit der Regelungen über Allgemeine Geschäftsbe- Bedenken: Kann man die Voraussetzung einer fahr- dingungen nach §§ 305 ff. BGB auf die hier in Rede lässigen Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht stehende Haftungserklärung. Denn es handelt sich durch einen Beamten ggf. noch bejahen,3 so bereitet nicht um eine vorformulierte Vertragsbedingung, son- die Hürde der Subsidiaritätsklausel gem. § 839 Abs. 1 dern vielmehr um einen einseitige Erklärung, die dar- S. 2 BGB ein unüberwindbares Hindernis: Fahrer und über hinaus nach der Ausgestaltung des Antrags vom Halter des Lkw sind vorrangig in Anspruch zu neh- Antragenden selbst ausgeht. Vergegenwärtigt man sich indessen den Schutzweck des AGBG, so steht dieser Umstand der (analogen) Anwendbarkeit der (2) Haftung des Fahrers/Halters des Lkw sowie des §§ 305 ff. BGB letztlich nicht entgegen:
Hier dürfte die Rechtslage eindeutig sein: Der Fahrer Enthält das in Rede stehende einseitige Rechtsge- haftet gem. § 18 Abs. 1 S. 1 StVG sowie gem. § 823 schäft Bestandteile, die nicht vom Erklärenden, son- Abs. 1 BGB, der Halter ist nach § 7 Abs. 1 StVG ver- dern von demjenigen vorformuliert werden, demge- antwortlich. Der Umstand, dass der Fahrer der Wei- genüber die Erklärung abzugeben ist, so sind die sung eines Polizeibeamten Folge leistete, steht der §§ 305 ff. BGB insoweit analog anzuwenden.4 Es Haftung wegen § 36 Abs. 1 S. 2, Hs. 2 StVO nicht drängt sich sogar ein Erst-Recht-Schluss auf: Der entgegen. Der Haftpflichtversicherer haftet unproble- Verwender, der eine einseitige Erklärung des Kunden matisch aus § 3 Ziff. 1 PflVG. vorformuliert, greift in dessen rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit noch stärker ein als bei der Vor- (3) Haftung des Erlaubnisnehmers
formulierung von Vertragsbedingungen.5 Besondere Schwierigkeiten bereitet demgegenüber die Haftung des Erlaubnisnehmers, der den Schwerlast- (b) Aber auch unter einem anderen Gesichtspunkt ist
transport durchführt. Da der Schwerlasttransport die hier in Rede stehenden verschuldensunabhängige selbst den Schaden in dem hier untersuchten Sachver- Haftungserklärung nichtig: halt nicht herbeigeführt hat, bleibt als Anknüpfungs- punkt für eine Haftung allein die vorzitierte Haftungs- Angesichts der Bedeutung und Tragweite der Etablie- erklärung, welche der Erlaubnisnehmer in seinem rung einer verschuldensunabhängigen Haftung ist – in Antrag gegenüber der Straßenverkehrsbehörde ab- Ansehung des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten zugeben hatte, um die Erlaubnis gem. § 29 Abs. 3 Rechtsstaatsprinzips – eine gesetzliche Grundlage StVO zu erhalten. Eine Haftung auf der Grundlage erforderlich. Die Exekutive ist hierzu nicht befugt; dieser umfassenden Haftungserklärung kommt aber durch eine Allgemeine Geschäftsbedingung resp. eine nur dann in Betracht, wenn die Haftungserklärung schlichte Verwaltungsvorschrift zu § 29 Abs. 3 StVO ihrerseits wirksam ist. Angesichts der Tatsache, dass lässt sich eine Gefährdungshaftung nicht begründen. die Haftungserklärung eine verschuldensunabhängige Haftung des Erlaubnisnehmers für sämtliche bei Einzig das OLG Köln (OLGR 1992, 85 ff.) hat bis- Durchführung des Schwerlasttransportes entstehenden lang – soweit ersichtlich – zu dieser Problematik Stel- Schäden vorsieht, erscheint dies m. E. sehr zweifel- lung bezogen. Gegenstand dieser Entscheidung war haft. Im Einzelnen: die Erlaubniserteilung für die Durchführung eines Straßenrennens („Rund um Köln") gem. § 29 Abs. 2 (a) Eine Nichtigkeit der Haftungserklärung könnte aus StVO. Die Erlaubniserteilung – seinerzeit noch
§ 307 Abs. 2 Ziff. 1 BGB resultieren. Denn es ist einer der wesentlichen Grundgedanken des Zivilrechts, dass eine Haftung allein im Falle schuldhaften Verhaltens (vgl. § 276 BGB) besteht. Eine verschuldensunabhän- gige Gefährdungshaftung kommt nur ganz aus- nahmsweise und mit Rücksicht auf das erhöhte Gefah- 3.
renpotential hinsichtlich ganz bestimmter Sachverhal- Vgl. hierzu Kunschert, in: Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 23. te (vgl. § 1 HPflG, § 7 StVG) in Betracht. Die bloße Aufl. 2001, Kap. 20 Rn. 1 ff.; Schwerdt, in: Wussow, Unfallhaft- Durchführung eines Schwertransportes stellt m. E. pflichtrecht, 15. Aufl. 2002, Kap. 13 Rn. 6 f. keinen derartigen Ausnahmesachverhalt dar, der eine Vgl. BGH NJW 1988, 1908; Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl. über die in § 7 Abs. 1 StVG normierte Haftung hi- 2003, § 305 Rn. 6; Schlosser, in: Staudinger, BGB, 13. Bearbei- nausgehende (weitere) Gefährdungshaftung begrün- tung, 1998, § 1 AGBG Rn. 5. den könnte. Liegt eine Abweichung von wesentlichen Vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O. 172 Info-Letter Versicherungs- und Haftungsrecht
durch den Oberstadtdirektor – ist mit folgender Erklä- der geschädigten Stadt (Eigentümerin des Bür- gersteigs) stattgegeben. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass diese Entscheidung– unabhängig „Die Erlaubnis wird auf die Gefahr des Veran- von der vorstehend begründeten Nichtigkeit der Haf- stalters erteilt. Für Unfälle aller Art, die auf die tungserklärung – bereits deshalb nicht vertretbar er- Veranstaltung zurückgehen, haftet der Veranstal- scheint, weil das Land angesichts des Fehlverhaltens ter; desgleichen haftet er für Ansprüche Dritter, des Polizeibeamten letztverantwortlich für den Scha- insbesondere für alle Schäden, die durch die Ver- den ist. Jedenfalls gem. § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 anstaltung oder aus Anlass der Veranstaltung GG steht dem Erlaubnisnehmer – dem Beklagten des durch Veranstaltungsleitung, Ordner, Fahrtteil- Rechtsstreits – seinerseits ein Freistellungs- resp. nehmer, Zuschauer oder andere Verkehrsteil- Schadensersatzanspruch gegen das Land NRW zu; nehmer an Personen-, Sach- und Vermögens- dem Land NRW fehlte daher entsprechend dem auf schäden, insb. an Straßen und benachbarten Treu und Glauben (§ 242 BGB) basierenden Grund- Grundstücken (Böschungen, Äcker, Brücken, satz „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" Bäumen usw.) erwachsen." das schutzwürdige Interesse an der Rechtsverfolgung. Diese Haftungsklausel hat das OLG Köln völlig zu Volltext-Service unter www.IVH.beck.de - becklink
Recht nicht gebilligt und eine darauf gestützte Klage 100100 abgewiesen. In der Urteilsbegründung heißt es unter anderem wie folgt: „Die Auferlegung einer verschuldensunabhängi- gen Haftung des Veranstalters für Unfälle, die sich im Zusammenhang mit seiner Veranstaltung EU-Umwelthaftung: Vorerst keine zwingen-
ereignen, ist dort [Anm.: gemeint ist § 29 StVO] de Deckungsvorsorgeverpflichtung
nicht erwähnt. Sie ist durch einseitigen Akt von einer Verwaltungsbehörde auch nicht zu errei- Der Ministerrat traf am 13. Juni 2003 in erster Le-
chen. Eine derartige Regelung könnte nur der sung zum „Vorschlag der Europäischen Kommissi-
Gesetzgeber treffen." on für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments
und des Rates über Umwelthaftung betreffend die
Als Anknüpfungspunkt für die Nichtigkeit der Haf- Vermeidung von Umweltschäden und die Sanierung
tungsklausel hat das OLG Köln dabei § 44 VwVfG der Umwelt" mit qualifizierter Mehrheit eine Eini-
NW herangezogen. Diese Entscheidung des OLG Köln, die auf die oben Danach ist die Haftung der Betreiber begrenzt auf den zitierte Haftungserklärung, welche der Kreis Güters- natürlichen Lebensraum und geschützte Tierarten wie loh für die Erteilung der Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 in den Vögel- und Habitat-Richtlinien definiert. Schä- StVO dem Antragsteller abverlangt, m. E. absolut den an Personen oder Besitz werden nicht abgedeckt, übertragbar ist, verdient uneingeschränkte Zustim- sie sind entweder durch nationale Umweltgesetze oder mung. Allein der Umstand, dass ein Straßenrennen das Zivilrecht der Mitgliedsstaaten geregelt. veranstaltet resp. ein Schwerlasttransport durchgeführt wird, rechtfertigt es nicht, dem jeweiligen „Initiator" Von der zunächst beabsichtigten Pflicht der Betreiber das Haftungsrisiko für alle etwaigen, bei der Durch- zur Deckungsvorsorge ist vorerst abgesehen worden. führung der Veranstaltung resp. des Transports durch Vielmehr sollen die Mitgliedsländer Maßnahmen er- das Fehlverhalten Dritter verursachten Schäden auf- greifen, um die Entwicklung finanzieller Sicherungs- instrumente zu fördern, beispielsweise durch die Schaffung entsprechender Versicherungen. Innerhalb von fünf Jahren nach Umsetzung der Richtlinie wird IV. Kritik
die Kommission unter Berücksichtigung der zu die- Die Verwaltungsbehörden sollten ihre Antragsformu- sem Zeitpunkt vorhandenen Möglichkeiten zur finan- lare betreffend die Erteilung einer Erlaubnis nach § 29 ziellen Absicherung der Betreiber über die Effektivität StVO einer kritischen Prüfung unterziehen und den dieses Systems berichten und Vorschläge für ein ver- Text ihrer (vorformulieren) Haftungserklärung ggf. pflichtendes Versicherungssystem machen. um das Erfordernis eines zurechenbaren, insbesondere schuldhaften Verhaltens des Antragstellers erweitern. Die von der Kommission ursprünglich vorgeschlage- Das Amtsgericht Gütersloh (Fn. 2) hat sich über sämt- nen Haftungsausschlussgründe für genehmigte Emis- liche der vorstehenden Bedenken hinweggesetzt und sionen oder Ereignisse wurden gestrichen. Jedoch einer Klage des Landes NRW, gerichtet auf Freistel- können die Mitgliedsstaaten in diesen Fällen bei lung von der Verbindlichkeit des Landes gegenüber nachgewiesenem nicht schuldhaftem Handeln der Info-Letter Versicherungs- und Haftungsrecht 173
Unternehmen diese von den Kosten für die Siche- Rechtsschutzversicherung
rungsmaßnahmen freistellen.
Eine ausführliche Stellungnahme des GDV zum aktu- Rechtsschutz nach § 29 ARB 75 ist streng
ellen Stand der Dinge findet sich in Bericht aus Brüs- objektbezogen
sel, Heft 42, Seite 35 ff. Bei einem nach § 29 ARB 75 im Versicherungs-
schein bezeichneten Grundstück, das mehreren Ei-
gentümern nach Bruchteilen gehört, ist davon aus-
zugehen, dass Versicherungsschutz für Auseinan-
dersetzungen, die sich auf das versicherte Objekt
Schäden aufgrund eines „Bedienungsfeh-
beziehen, nicht nur für den Versicherungsnehmer,
lers" beim Tanken werden nicht von der
sondern für alle Miteigentümer besteht.
Vollkaskoversicherung ersetzt.

Zwar ist die Beschränkung des Versicherungsvertra-
Der durch die Wahl des falschen Kraftstoffs (hier: ges auf einen Bruchteil bzw. auf einzelne Miteigen-
Benzin statt Diesel) entstandene Motorschaden ist tümer rechtlich möglich. Sie ist jedoch nur dann an-
kein versicherter Unfallschaden, sondern ein nicht zunehmen, wenn eine entsprechende Vereinbarung
versicherter Betriebsschaden i.S.v. § 12 Abs. 1 II e zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer exis-
AKB.
tiert oder sich dies aus den Umständen des Einzelfalls ergibt. Ansonsten bezieht sich die Deckung auf das im Ein durchschnittlicher, verständiger Versicherungs- Versicherungsschein bezeichnete Grundstück, Gebäu- nehmer erkennt bei § 12 Abs. 1 II e AKB, dass das de oder den Gebäudeteil, d.h. nicht nur auf einen versicherte Unfallrisiko in Halbsatz 1 der Klausel ideellen Miteigentumsanteil, sondern auf das gesamte begrifflich näher eingegrenzt wird und dass von dem Grundstück oder einen realen Teil davon (z.B. bei so festgelegten Umfang des Versicherungsschutzes Wohnungseigentum). Insoweit geht der Zweck der für Unfallschäden in Halbsatz 2 bestimmte Schäden Regelung ersichtlich dahin, die aus dem Eigentum am ausgegrenzt werden, selbst wenn ein Ereignis Merk- Grundstück als ganzen entspringenden Rechtskosten- male eines Unfalls aufweist. Bei den genannten Be- risiken abzudecken. triebsschäden wird ihm verdeutlicht, dass im Zusam- menhang mit Betriebsvorgängen durch normale Ab- Im vorliegenden Fall war zwischen den Parteien bei nutzung, Material- oder Bedienungsfehler an dem Abschluss des Versicherungsverhältnisses keine Ver- Fahrzeug oder seinen Teilen entstehen, die nicht ver- einbarung des Inhalts getroffen worden, dass nur die Risiken des Miteigentumsanteils des Versicherungs- nehmers versichert sein sollten. Auch der Wortlaut Die Versorgung eines Kraftfahrzeugs mit den für die des Versicherungsscheines sprach dafür, dass das Fortsetzung der Fahrt notwendigen Betriebsmitteln ganze Objekt versichert werden sollte. Für unerheb- gehört zu den Bedienungsvorgängen. Die Wahl des lich hielt das Gericht den Umstand, dass der Versiche- falschen Kraftstoffs erweist sich daher als Bedie- rungsnehmer die Miteigentumsverhältnisse bei Ver- nungsfehler, der in der Regel nach dem Neustart zu tragsabschluss nicht offenbart hatte. einem Motorschaden führt. Dieser Schaden stellt je- doch keinen bedingungsgemäß versicherten Unfall- LG München I, Urt. v. 20.05.2003 – 20 S 21892/02 Volltext-Service unter www.IVH.beck.de - becklink
Für die Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB Der Ehemann der Klägerin hatte versehentlich Ben- zin-Kraftstoff in den Tank des Mercedes Diesel ge- füllt. Dadurch wurden unmittelbar nach Fortsetzung Unwiderrufliches Bezugsrecht
der Fahrt Teile des Motors beschädigt. Die Klägerin Bei Einräumung eines unwiderruflichen Bezugs-
begehrte - indes erfolglos - die Kosten für die Repara- rechts erwirbt der Bezugsberechtigte die Ansprüche
aus dem Versicherungsvertrag grundsätzlich sofort,
auch wenn das Bezugsrecht für den Erlebensfall
BGH Urt. v. 25.06.2003 - IV ZR 322/02 eingeräumt wird.
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Entscheidend für die gem. § 13 ALB 86 durch den Versicherungsnehmer verfügte Zuordnung der An- sprüche aus dem Versicherungsvertrag ist der im 174 Info-Letter Versicherungs- und Haftungsrecht
rechtlich möglichen Rahmen geäußerte Gestaltungs- des Kündigungsrechts durch den Versicherer geht wille des Versicherungsnehmers. Dieser richtet sich dann ins Leere. bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht regelmäßig auf einen sofortigen Rechtserwerb, weil nur so der mit Zu den vertraglich versprochenen Leistungen, die der dem Verzicht auf den Widerruf verfolgte Zweck er- Bezugsberechtigte sofort erwirkt, zählt bei einer Le- reicht werden kann, die Ansprüche auf die Versiche- bensversicherung auch der Rückkaufwert nach Kün- rungsleistungen aus dem Vermögen des Versiche- digung des Vertrages. Die Begünstigungserklärung ist rungsnehmers auszusondern und sie damit dem regelmäßig so zu verstehen, dass das Recht des Be- Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen. Da unter die- zugsberechtigten sämtliche aus dem Versicherungs- sem Gesichtspunkt eine bloß unwiderrufliche Anwart- vertrag fällig werdende Ansprüche umfassen soll. Der schaft praktisch wertlos wäre, bildet der sofortige Versicherungsnehmer kann zwar etwa das unwider- Rechtserwerb den eigentlichen Inhalt der unwiderruf- rufliche Bezugsrecht gegenständlich und zeitlich ein- lichen Bezugsberechtigung. Die Auslegung des unwi- schränken. Macht der Versicherungsnehmer jedoch derruflich auf den Erlebensfall eingeräumten Bezugs- davon keinen Gebrauch, erwirbt der Bezugsberechtig- rechts als nur aufschiebend bedingtes Recht wider- te sämtliche Ansprüche auf die Versicherungsleistun- spricht dem und vereitelt die vom Versicherungsneh- gen sofort, also auch den Rückkaufswert und die mer gewollte Rechtsfolge. künftig entstehenden Ansprüche. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Versicherungs- Der Versicherungsnehmer, Ehemann der klagenden nehmer nach § 13 Abs. 2 ALB 86 ausdrücklich be- Bezugsberechtigten, hatte bei der Beklagten eine Ka- stimmt, dass der Bezugsberechtigte die Ansprüche aus pitalversicherung abgeschlossen. Die Versicherungs- dem Versicherungsvertrag unwiderruflich und damit summe sollte im Erlebensfall in Teilbeträgen ausge- sofort erwerben soll. zahlt werden. Im Versicherungsvertrag hatte der Ehemann der Klägerin als Bezugsberechtigte seine Diese Grundsätze gelten bei der kapitalbildenden "Rechtsnachfolger" angegeben, ohne das Widerrufs- (gemischten) Lebensversicherung nicht nur für das recht auszuschließen. Sieben Jahre später bestimmte unwiderrufliche Bezugsrecht auf den Todesfall. Sie er die Klägerin als unwiderrufliche Bezugsberechtigte sind in gleicher Weise auf das unwiderrufliche Be- im Erlebensfall, was die Beklagte schriftlich bestätig- zugsrecht für den Erlebensfall anzuwenden. te. Etwa fünf Jahre später erwirkte die Beklagte auf- grund einer dem Versicherungsnehmer zustehenden Ein genereller Vorrang des Bezugsrechts auf den To- titulierten Forderung die Pfändung und Überweisung desfall vor dem für den Erlebensfall lässt sich auch aller Rechte aus dem Versicherungsvertrag einschließ- der Entscheidung in BGHZ 55, 162 nicht entnehmen. lich des Rechts zur Kündigung. Mit einem an sich selbst gerichteten Schreiben widerrief die Beklagte Zwar mag in vielen Fällen bei einer privaten Lebens- dann die bisher bestellten Bezugsrechte und kündigte versicherung die Fürsorge des für den Todesfall Be- den Versicherungsvertrag. Die klagende Bezugsbe- zugsberechtigten im Vordergrund zutreffen. Häufig rechtigte begehrte nunmehr die Auszahlung des ver- wird die Lebensversicherung aber auch im Wege der einbarten ersten Teilbetrages, den sie durch das Urteil Abtretung oder der unwiderruflichen Bezugsrechtsein- nunmehr auch zugesprochen bekommen hat. räumung zur Absicherung von Darlehen verwendet. Unabhängig vom möglichen Zweck einer Lebensver- BGH, Urt. v. 18.06.2003 - IVZR 59/ 02 sicherung kommt es jedoch entscheidend darauf an, Volltext-Service unter www.IVH.beck.de - becklink
welche Ausgestaltung der Versicherungsnehmer dem 99955 Bezugsrecht in seiner Erklärung gegeben hat. Der Versicherer erlangt durch einen Pfändungs- und Anfechtung der Abtretung von Lebensversi-
Überweisungsbeschluss wegen einer ihm gegen den cherungsansprüchen
Versicherungsnehmer zustehenden Forderung kein Recht zur Kündigung des Versicherungsvertrages. Der Ob die Abtretung von Ansprüchen des Schuldners
Versicherer kann das dem Versicherungsnehmer trotz aus einer Lebensversicherung innerhalb des Vier-
unwiderruflicher Bezugsrechteinräumung verbliebene jahreszeitraumes des § 134 Abs. 1 InsO erfolgt ist,
Kündigungsrecht nicht pfänden, da es nicht selbst- hängt davon ab, wann die Abtretungsanzeige an den
ständig, sondern nur zusammen mit dem Recht auf Versicherer geleitet wurde.
den Rückkaufswert übertragen und gepfändet werden kann. Der durch die Kündigung des Versicherungs- Fehlt es an einer für die Wirksamkeit der Abtretung nehmers bedingte Anspruch auf den Rückkaufwert konstitutiven Anzeige an den Versicherer (§ 13 Abs. 4 nach § 176 VVG a. f., § 4 ALB steht dann nicht mehr ALB 86 = § 14 Abs. 4 ALB 94), so ist die Abtretung dem Versicherungsnehmer, sondern dem Bezugsbe- absolut unwirksam. Folglich muss der Versicherer bis rechtigten zu. Die Pfändung des Rückkaufswertes und zur Anzeige der Abtretung nicht an den Zessionar Info-Letter Versicherungs- und Haftungsrecht 175
leisten und der Zessionar erlangt bis zur Anzeige kein Andererseits ist aber auch eine Auslegung dahin mög- Forderungsrecht. lich, dass "Funktionsunfähigkeit einer Hand im Hand- gelenk" ihrerseits die Funktionsunfähigkeit der restli- Der Versicherungsnehmer hatte seine Ansprüche aus chen Hand voraussetzt. Dem Aufbau der Gliedertaxe mehreren Lebensversicherungsverträgen an seine entsprechend steigt der Invaliditätsgrad mit der Tochter, die Beklagte, abgetreten. Der klagende In- Rumpfnähe der in der Gliedertaxe festgelegten Teilbe- solvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das reiche an. Grund hierfür ist die zunehmende Auswir- Vermögen des Versicherungsnehmers hielt die Abtre- kungen des jeweiligen Teilgliedverlustes oder der tungen für eine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 Teilgliedfunktionsunfähigkeit auf die generelle Ar- Abs. 1 InsO und machte Anfechtungs- und Aus- beitsfähigkeit des Menschen. Liefert aber die Rumpf- kunftsansprüche gegen die beklagte Tochter des Ver- nähe des Teilgliedes den Bewertungsmaßstab, lässt sicherungsnehmers geltend. Diese hatte Prozesskos- sich die Wendung "Hand im Handgelenk" auch dahin tenhilfe beantragt, was das LG indes zurückwies. verstehen, dass mit ihr - wie mit der Abgrenzung "bis Auch die sofortige Beschwerde der Beklagten hierge- zum" - nur die Grenze eines Gliedteilbereichs be- gen hatte keinen Erfolg. schrieben wird, es also bei der Funktionsunfähigkeit auf die Hand insgesamt ankommt. OLG Köln, Beschl. v. 19.05.2003 - 2 W 37/03 Volltext-Service unter www.IVH.beck.de - becklink In dem zu entscheidenden Fall musste bei dem Versi-
cherungsnehmer nach einem Unfall eine künstliche Versteifung des Handgelenks vorgenommen werden. Obwohl einzelne Funktionen der Hand noch vorhan- den waren, stellte der BGH bei der Bemessung der Invalidität des Klägers wegen der festgestellten Aus- legungszweifel, die gem. §§ 5 AGBG, 305c Abs. 2 Der Terminus „Funktionsunfähigkeit einer
BGB zu Lasten des Verwenders gehen, allein auf die Hand im Handgelenk" stellt eine unklare
Funktionsunfähigkeit des Handgelenks ab. Die Aus- Formulierung dar
strahlungen der Funktionsbeeinträchtigung der Hand im Handgelenk auf den ganzen Arm hielt das Gericht Die in der Gliedertaxe (§ 7 I (2) a AUB 88) enthalte- im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung
ne Wendung „[.] Funktionsunfähigkeit [.] einer (vgl. BGH VersR 1990, 964; VersR 1991, 57; VersR
Hand im Handgelenk [.]" ist unklar gem. §§ 5 1991, 413; VersR 2001, 360) für unbeachtlich.
AGBG, 305c Abs. 2 BGB, so dass von der für den
Versicherungsnehmer günstigsten Auslegungsmög- BGH, Urt. v. 09.07.2003 - IV ZR 74/02
lichkeit auszugehen ist.
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Enthält die im Rahmen der privaten Unfallversiche- rung vereinbarte Gliedertaxe folgende Klausel "als feste Invaliditätsgrade gelten [.] bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit einer [.] Hand im Handgelenk Krankenversicherung
55%", handelt es sich hierbei um eine nicht eindeutige Formulierung. Nach Ausschöpfung der in Betracht Einsichtsrecht in vom Versicherer eingehol-
kommenden Auslegungsmethoden hält der BGH min- ten Gutachten
destens zwei unterschiedliche Auffassungen für ver- Der Versicherer hat auch solche Gutachten externer
Fachärzte bekannt zu geben, denen keine körperli-
Zum einen kann die Wortwahl "Hand im Handgelenk" che Untersuchung der Versicherten zugrunde liegt.
aus Sicht des Versicherungsnehmers dafür sprechen, dass auf die Funktionsunfähigkeit des Gelenks selbst § 178 m VVG erfasst nicht nur Gutachten, die auf und nicht auf die Funktionsunfähigkeit des Teilgliedes einer ärztlichen Untersuchung beruhen, sondern auch Hand abzustellen ist. Hierfür spricht, dass die Glieder- solche, die sich in einer Bewertung erschöpfen. An- taxe Teilbereiche eines Gliedes - so des Armes - auch lass der Schaffung eines speziellen Auskunftsan- mit Wendungen beschreibt wie "eines Armes bis" spruch des Versicherungsnehmers mag zwar der Fall (oberhalb des Ellbogengelenks – unterhalb des Ellbo- einer körperlichen Untersuchung wie in § 9 Abs. 3 gengelenks). Wenn einerseits mit der Wendung "bis" MB/KK 94 sowie nach § 9 Abs. 3 MB/KT 94 vorge- ausdrücklich Gliedabschnitte beschrieben werden, sehen, gewesen sein. Jedoch gibt § 178 m S. 1 VVG deutet im Gegensatz dazu die Wendung "im" auf eine dem Versicherungsnehmer oder jeder versicherten Lokalisierung der Funktionsunfähigkeit gerade im Person das Recht auf Auskunft über und Einsicht in Gelenk selbst hin. die Gutachten, die der Versicherer "bei der Prüfung seiner Leistungspflicht über die Notwendigkeit einer 176 Info-Letter Versicherungs- und Haftungsrecht
medizinischen Behandlung eingeholt hat". Daraus ist Die medizinische Notwendigkeit entfällt auch nicht zu entnehmen, dass der Anspruch auch dann gegeben mit der Begründung, dass die Möglichkeit der Durch- ist, wenn der Gutachter den Versicherten nicht körper- führung des Geschlechtsverkehrs von der individuel- lich untersucht hat. len Situation des einzelnen abhänge und dem privaten Lebensbereich zuzuordnen sei, der nicht von einer Gutachten externer Fachärzte unterliegen, auch wenn Krankenkasse zu finanzieren sei. Da der männliche es nur um eine Stellungnahme für interne Zwecke des Körper von Natur aus über die Erektionsfähigkeit Versicherers geht, dem Auskunft- und Einsichtnah- verfügt, diese Körperfunktion im wesentlichen der meanspruch des § 178 m VVG. Dass das Gutachten Durchführung des Geschlechtsverkehrs dient und nur internen Zwecken dient, ändert an dem Anspruch diese Körperfunktion zumindest vorliegend nicht auf des Versicherungsnehmers nichts. Der Versicherer natürlichem Wege ausgefallen ist, liegt in der Behand- holt das Gutachten ein, um sich in einer Zweifelsfrage lung mit dem Präparat Viagra, das den Verlust dieser Gewissheit zu verschaffen. Dazu bedarf es eines unbe- Körperfunktion auszugleichen vermag, eine medizi- fangenen und fachlich geeigneten Sachverständigen. nisch notwendige Heilbehandlung. Medizinisch not- Eine Einschränkung des Auskunftsanspruchs nach wendig bedeutet nicht, dass nur vital lebenswichtige § 178 m VVG für Gutachten, die internen Zwecken Körperfunktion betroffen sein müssen. Bei Nichtein- des Versicherers dienen, würde das Einsichtsrecht des nahme von Viagra entsteht dem Betroffenen auch ein Versicherungsnehmers entwerten, weil ihm die Prü- medizinischer Nachteil, da es ihm dann an der Mög- fungen der Kompetenz und Unbefangenheit des Gut- lichkeit mangelt, eine Erektion auszubilden. achters verschlossen bliebe. Erst die umfassende Kenntnis des Gutachtens einschließlich seines Urhe- Beim Kläger war es aufgrund einer Darmoperation zu bers, erlaubt dem Versicherten eine sachgerechte Be- Nervenschädigungen im Unterbauchbereich gekom- urteilung der Frage, ob der Anspruch auf Kostener- men. Diese Nervenschädigungen führten zu einer stattung Aussicht auf Erfolg hat. Insofern dient § 178 erektilen Dysfunktion des Klägers. Aufgrund dieser m VVG der Waffengleichheit unter den Beteiligten erektilen Dysfunktion war der Kläger seit der Opera- des Versicherungsvertrages. tion nicht mehr in der Lage, Geschlechtsverkehr aus- BGH, Urt. v. 11.06.2003 – IV ZR 418/02 Volltext-Service unter www.IVH.beck.de - becklink AG Mannheim, Urt. v. 21.03.2003 - 11 C 574/02
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Viagra erstattungsfähig

Haftung
Der Versicherer hat bei erektiler Dysfunktion die
Kosten für das Präparat Viagra zu erstatten.
Haftung eines im Zwangsversteigerungsver-
Eine durch eine Darmoperation ausgelöste erektile fahren gerichtlich beauftragten Sachver-
Dysfunktion ist als Krankheit anzusehen. Diese ist ständigen gegenüber dem Ersteigerer nur
auch nicht unerheblich, da die Erektionsfähigkeit ei- nach § 826 BGB
nes Mannes zumindest für die Tätigkeit der Zeugung auf natürlichem Wege durchaus erheblich ist und zwar Enthält ein Verkehrswertgutachten falsche Angaben
unabhängig von seinem persönlichen Familienstand. zu Nutzfläche und Mieten, so kann der Ersteigerer,
der in Kenntnis der richtigen Umstände weniger
Bei der Behandlung mit Viagra handelt es sich auch geboten hätte, nur bei Vorliegen der Voraussetzun-
um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung. Die gen des § 826 BGB Schadensersatz von dem gericht-
Verordnung des Präparates Viagra durch einen Arzt lich beauftragten Sachverständigen verlangen.
zielt darauf ab, die ausgefallene körperliche Funktion der Erektionsfähigkeit jedenfalls kurzfristig wieder- Da der Sachverständige im Zwangsversteigerungsver- herzustellen, um gegebenenfalls die Durchführung des fahren durch das Vollstreckungsgericht entsprechend Geschlechtsverkehrs zu ermöglichen. Diese Heilbe- den Beweiserhebungsvorschriften der §§ 402 ff. ZPO handlung ist auch medizinisch notwendig. Die Ein- herangezogen wird, kommt eine vertragliche Haftung nahme von Viagra ist als eine adäquate und geeignete gegenüber dem Ersteigerer nicht in Betracht. Therapie anzusehen, um die erektile Dysfunktion des für die vom Versicherungsnehmer gewünschte Zeit Voraussetzung der somit allein nach § 826 BGB mög- des Geschlechtsverkehrs zu beseitigen, zumal das lichen Inanspruchnahme ist, dass der Sachverständige Präparat eines der derzeit wirksamsten Mittel zum bei der Erstellung des Gutachtens leichtfertig und jedenfalls kurzfristigen Ausgleich der erektilen Dys- gewissenlos und mindestens mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat (vgl. BGH VersR 1991, 1413). Die Er- Info-Letter Versicherungs- und Haftungsrecht 177
stattung eines fehlerhaften Gutachtens reicht nicht Der Kläger macht Schadensersatz - unter anderem in aus. Hinzutreten muss vielmehr, dass sich der Sach- der Form des Verdienstausfalles - aus einem Auffahr- verständige etwa durch nachlässige Ermittlungen zu unfall geltend. Bei diesem Auffahrunfall erlitt der den Grundlagen seines Auftrages oder gar durch "ins Kläger ein Schleudertrauma und war bedingt durch Blaue" gemachte Angaben der Gutachtensaufgabe eine psychische Folgewirkung arbeitsunfähig. Dabei leichtfertig und gewissenlos entledigt hat (vgl. BGH erstreckt sich der geltend gemachte Verdienstausfall VersR 1979, 283, 284). Gleichzeitig muss er über das auch auf einen Zeitraum nach einem weiteren Auf- unrichtige Gutachten einen konkreten eigenen Vorteil fahrunfall, an dem die Beklagten nicht beteiligt waren. ohne Rücksicht auf die Belange Dritter gesucht haben. Der Senat erkennt einen Schadensersatzanspruch für Macht der Sachverständige aber wie vorliegend in die Zeit vor dem zweiten Auffahrunfall zu. Für die seinem Gutachten mehrmals deutlich, dass ihm die Zeit danach seien die Beklagten nicht einstandspflich- Räumlichkeiten der Gebäude nur eingeschränkt zu- tig. Dabei erstreckt sich die Ersatzpflicht des für einen gänglich gewesen seien und ihm nur unvollständige Körper- und Gesundheitsschaden einstandspflichtigen Angaben zu den tatsächlichen Erträgnissen des Schädigers grundsätzlich auch auf psychisch bedingte Grundstücks vorgelegen hätten, ist der Vorwurf der Folgewirkungen des von ihm herbeigeführten haf- Nachlässigkeit nicht gerechtfertigt. Denn den Zutritt tungsbegründenden Ereignisses. Soweit keine Begeh- zum Objekt kann das Vollstreckungsgericht im rensneurose oder nur ein Bagatellunfall vorliegt, um Zwangsversteigerungsverfahren weder für sich noch fasst die Haftung auch das psychosomatische Be- für den Sachverständigen erzwingen. Gleichzeitig schwerdebild, welches seine Ursache in einer psychi- schließt der Hinweis auf die ungesicherte Tatsachen- schen Fehlverarbeitung der Unfallfolgen hat. Dieses grundlage auch ein rücksichtsloses Verhalten des so genannte Schleudertrauma-Syndrom setzt eine Sachverständigen aus. Die Belange des Bieters finden Disposition bzw. eine bestimmte Persönlichkeitsstruk- hinreichend Berücksichtigung dadurch, dass er die tur voraus. Eine entsprechende Anlage wird durch Möglichkeit hat, vor der Versteigerung das Gutachten ängstliches Reagieren der Behandler verstärkt, so dass einzusehen und sich dadurch Kenntnis über die sich die Krankheit auf dieser Grundlage entwickelt Grundlagen der Verkehrswertfestsetzung zu verschaf- und fixiert. Spätere, nach dem zweiten Unfall eingetretene Verlet- Die durch Art. 2 Nr. 5 des Zweiten Gesetzes zur Än- zungsfolgen sind dem Beklagten nicht zuzurechnen.
derung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom Wenn zum Zeitpunkt des zweiten Unfalles noch Fol- 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) mit § 839a BGB ge- gen des ersten Ereignisses vorhanden sind, die nun schaffene, eigenständige Anspruchsgrundlage für die möglicherweise verstärkt wurden und eine besondere Haftung des gerichtlichen Sachverständigen fand vor- Schwere erhielten, kann sich zwar grundsätzlich eine liegend noch keine Anwendung, weil die Gesetzesän- Haftung der Erstschädiger im Falle nicht absetzbarer derung nur greift, wenn das schädigende Ereignis Schadensteile auch für den nach dem Zweitunfall nach dem 31. Juli 2002 eingetreten ist (vgl. Art. 229 eingetretenen Schaden ergeben, jedoch ist dies ausge- § 8 Abs. 1 EGBGB in der Fassung des Art. 12 des schlossen, wenn die Folgen des Erstunfalles bereits Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrecht- ausgeheilt sind. Dies ist nach Ansicht des Senats auf licher Vorschriften). Hier hatte der Kläger aber das Grundlage der vorliegenden Sachverständigengutach- Grundstück bereits am 16. Mai 2000 ersteigert. ten der Fall. Allenfalls sei die vorhandene allgemeine Disposition zur Fehlverarbeitung eines HWS- BGH, Urt. v. 20.05.2003 - VI ZR 312/02 Schleudertraumas nur relativ geringfügig erhöht wor- Volltext-Service unter www.IVH.beck.de - becklink den.
Eine solche lediglich in der Erhöhung der Vulnerabili- tät liegende Fortwirkung des Erstunfalles kann nicht Haftung für psychisch bedingte Folgewir-
mehr als Erstursache den psychischen Folgen eines weiteren Unfalles zugerechnet werden. Die Ersatzpflicht des einstandspflichtigen Schädi- OLG Bremen, Urt. v. 01.04.2003 - 3 U 2/2000
gers erstreckt sich grundsätzlich auch auf psychisch Volltext-Service unter www.IVH.beck.de - becklink
bedingte Folgewirkungen des von ihm herbeigeführ- 99966
ten haftungsbegründenden Ereignisses, selbst wenn
das psychosomatische Beschwerdebild seine Ursache
in einer psychischen Fehlverarbeitung der Unfall-
folgen hat.
178 Info-Letter Versicherungs- und Haftungsrecht
auf der Baustelle nicht originär selbst, sondern nur durch Mitarbeiter vornehmen konnte, nicht in Be- Ein Bauunternehmer verletzt seine Sicherungs-
pflichten gegenüber einem Subunternehmer, wenn Den Kläger trifft nach Ansicht des OLG allerdings ein
eine Öffnung im Fußboden nicht gemäß den Unfall- nicht unerhebliches Mitverschulden gem. § 254 Abs.
verhütungsvorschriften der Bauberufsgenossen- 1 BGB. Er hätte sich vergewissern müssen, ob er nach
schaften gesichert und nicht in den dem Subunter- Anheben der Platte gefahrlos den durch die Platte
nehmer überlassenen Ausführungsplänen einge- verdeckten Bereich betreten konnte. Dies hat der Klä-
zeichnet ist; der Bauunternehmer kann sich regel- ger offensichtlich nicht getan, da es ansonsten nicht zu
mäßig gegenüber einem Subunternehmer nicht auf dem Unfall gekommen wäre. Aufgrund des gleich
das Haftungsprivileg nach §§ 104, 106 Abs. 3 SGB mehrfach vorliegenden Verstoßes gegen Unfallverhü-
VII berufen.
tungsvorschriften seitens der Beklagten hält das OLG einen Mithaftungsanteil des Klägers in Höhe von ¼ In der vorliegenden Entscheidung des Brandenburgi- angemessen. schen OLG macht der Kläger gegenüber der Beklag- ten Schadenersatz-, Schmerzensgeld- und Rentenan- Brandenburgisches OLG, Urt. v. 19.02.2003 – 7 U sprüche aus einem Unfall geltend. Der Kläger war als 135/02 Subunternehmer der Beklagten auf einer Baustelle Volltext-Service unter www.IVH.beck.de - becklink
eingesetzt. Dort stürzte er durch einen Öffnung im 99968 Fußboden, die durch eine verschiebbare Sperrholzplatte abgedeckt und nicht mit einem Hinweis auf die darunter befindliche Öffnung Keine Rückschaupflicht bei Einordnen nach
versehen war. Auf den dem Subunternehmer vor Passieren einer Sperrfläche
Arbeitsbeginn übergebenen Ausführungsplänen war die Öffnung im Fußboden nicht eingezeichnet. Dem Kfz-Fahrer, der unmittelbar hinter einer
schraffierten Sperrfläche auf die sich neu eröffnen-
Nach Auffassung des OLG hat die Beklagte das Un- de zweite Geradeausspur fährt, obliegt mangels Vor-
fallereignis dadurch herbeigeführt, dass sie unter Ver- liegen eines Überholvorgangs keine zweite Rück-
stoß gegen § 6 Abs. 1 VBG 1 Ausführungspläne aus- schaupflicht.
gegeben hat, in denen die Öffnung der Zwischendecke nicht eingezeichnet gewesen ist. Einen weiteren Ver- Um ein Überholmanöver handelt es sich nicht, wenn ursachungsbeitrag hat die Beklagte dadurch geleistet, ein Kfz-Fahrer, nachdem er die durch eine Sperrfläche dass sie die Öffnung in der Bodenplatte vor Ort nicht geschaffene Engstelle passiert hat, den linken sich neu hinreichend abgesichert hat. Gemäß § 12a VBG 37 eröffnenden zweiten Fahrstreifen wählt, um dabei an sind an Öffnungen in Böden Einrichtungen anzubrin- einem im rechten Fahrstreifen haltenden Linienbus gen, die ein Abstürzen, Hineinfallen oder Hineintreten vorbeizufahren. Eine zweite Rückschaupflicht obliegt von Personen verhindern. Nach der Durchführungs- ihm aus diesem Grund nicht. verordnung zu § 12a VBG 37 hat eine Abdeckung unverschiebbar zu sein. Diese Voraussetzungen hat Ob das Unfallgeschehen für den Fahrer unabwendbar die lediglich aufgelegte Sperrholzplatte nicht erfüllt. war, muss in diesem Fall nicht entschieden werden.
Dem Kläger stehen somit gegen die Beklagte die An- Denn die von seinem Fahrzeug ausgehende Betriebs- sprüche gem. §§ 843 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB zu. gefahr tritt jedenfalls hinter dem groben Verschulden desjenigen zurück, der um des schnelleren Fortkom- Demgegenüber ergibt sich für die Beklagte auch keine mens willens die Sperrfläche zumindest teilweise Haftungsbefreiung gem. § 104 Abs. 1 Satz 1, 106 überfahren hat, ohne abzuwarten, in welche Fahrspur Abs. 3, 3. Fall SGB VII. Die Beklagte gehört bereits das vor ihm fahrende Fahrzeug sich einordnen werde. nicht zum Kreis der durch § 6 Abs. 3 SGB VII ge- schützten Personen. Nach dem klaren Wortlaut dieser LG Dortmund, Urt. v. 10.04.2003, - 15 S 277/02 Vorschrift gilt der Haftungsausschluss nach §§ 104, Volltext-Service unter www.IVH.beck.de - becklink
105 SGB VII nur für die Ersatzpflicht der „für die 99969 beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander". Hierin kommt der Wille des Gesetzgebers zum Aus- druck, dass nur die selbst und unmittelbar tätigen Per- Haftungsprivilegierung bei Dienstfahrt
sonen untereinander, nicht aber auch der – selbst nicht vor Ort tätige – Unternehmer für Schädigungen durch Haftungsprivileg gemäß §§ 104, 105 SGB VII greift
einen Beschäftigten von der Haftung befreit sein sol- auch bei einem Unfall auf einer Dienstfahrt auf-
len. Demgemäß kommt eine Haftungsbefreiung der grund eines nur fahrlässigen Überholmanövers.
Beklagten, die als Handelsgesellschaft Verrichtungen Info-Letter Versicherungs- und Haftungsrecht 179
Die Klägerin macht als Beifahrerin eines verunfallten Die Klägerin machte vorliegend einen Verzögerungs- Werttransporters Schmerzensgeld und Schadensersatz schaden geltend, der dadurch entstanden war, dass der wegen materieller Schäden gegen die beklagte Versi- zuständige Schleusenbeamte die Schleusung eines cherung geltend. Der Fahrer des Werttransportes hatte Binnenschiffes verweigerte. Zur Klärung stand nun- bei einem Überholmanöver die Entfernung des Ge- mehr zunächst die Frage des zuständigen Gerichtes. genverkehrs nicht richtig eingeschätzt und verlor beim Wiedereinscheren die Kontrolle über das Fahrzeug. Die Zuständigkeitsvorschrift des § 2 Abs. 1 d Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass die Fahrweise BSchVerfG geht der Zuständigkeitsregelung für ihres Arbeitskollegen in Form eines risikoreichen Amtshaftungsansprüche in § 71 Abs. 2 Ziff. 2 GVG Überholmanövers nicht als ordnungsgemäßes Verhal- vor. ten im Straßenverkehr angesehen werden könne und somit dieses Verhalten nicht in den Tätigkeitsbereich § 2 Abs. 1 d BSchVerfG erfasst Amtshaftungsansprü- eines Fahrers fallen würde. In der Konsequenz sei das che, die mit der Benutzung von Binnengewässern Haftungsprivileg gem. §§ 104, 105 SGB VII nicht durch Schifffahrt zusammenhängen, nicht nur bei der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, sondern auch darüber hinaus. Historisch betrachtet waren die Dieser Argumentation ist das LG nicht nähergetreten. Schifffahrtsgerichte zwar nach dem BSchVerfG zu- Nach Ansicht des Gerichtes erfolgte der Unfall im nächst generell nicht für Anpassungsansprüche zu- Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit. Sowohl für den ständig. Jedoch kann eine solche historische Betrach- Fahrer als auch für die Klägerin ereignete sich der tung für die Auslegung von § 2 Abs. 1 d BSchVerfG Unfall auf einer Dienstfahrt. Gerade im Rahmen einer nicht entscheidend sein. Für die Auslegung von § 2 dienstlichen Tätigkeit wie im vorliegenden Fall soll Abs. 1 d BSchVerfG sind vielmehr teleologische Ge- das Haftungsprivileg zugunsten des Arbeitgebers ein- sichtspunkte entscheidend. Sinn und Zweck der Zu- greifen. Auch sei das Haftungsprivileg nicht aufgrund ständigkeitsregelung für die Schifffahrtsgerichte müs- einer vorsätzlichen Schädigung ausgeschlossen, da sen dazu führen, dass § 2 Abs. 1 d BSchVerfG auch sich der Unfall in der verkehrstypischen Weise, wie er solche Amtshaftungsansprüche in Zusammenhang mit sich beim Versuch des Überholens einer vorausfah- der Benutzung von Binnengewässern erfasst, bei de- renden Fahrzeugkolonne ereignen kann, erfolgt ist. nen die dem Beamten zur Last gelegte Pflichtverlet- Ersichtlich ist dem Fahrer kein Fahrfehler anzulasten, zung in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Tä- der außerhalb des Bereichs der Fahrlässigkeit läge. tigkeit des Beamten zur Sicherung des Verkehrs auf Die Klägerin hat daher keinen Anspruch auf Schmer- einer Wasserstraße steht. Hierzu gehört insbesondere zensgeld und kann lediglich ihre materiellen Schäden jede Pflichtverletzung eines Schleusenbeamten, bei von der Beklagten ersetzt verlangen. der ein unmittelbarer Zusammenhang besteht mit Re- gelungen, die der Schleusenbeamte gegenüber dem LG Trier, Urt. v. 29.04.2003 - 11 O 28/03 Schiffsführer trifft im Zusammenhang mit der Sicher- Volltext-Service unter www.IVH.beck.de - becklink heit des Schleusenbetriebs. Das Gericht hat im weite-
99970 ■ ren die maßgebenden Erwägungen näher ausgeführt. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 02.01.2003 - 15 AR 45/02 Volltext-Service unter www.IVH.beck.de - becklink
Sonstiges
§ 2 Abs. 1 d Binnenschifffahrtsverfahrensge-
Vergütungsanspruch des Arztes bei kurzfris-
setz (BSchVerfG) erfasst neben der Verlet-
tiger Absage des OP-Termins durch den Pa-
zung einer Verkehrssicherungspflicht auch
andere Amtshaftungsansprüche
Unterschreibt der Patient eine Erklärung, zum ver-
Unter § 2 Abs. 1 d BSchVerfG fallen nicht nur einbarten OP-Termin pünktlich zu erscheinen und
Schadensersatzansprüche wegen Verletzung einer bei Verhinderung spätestens 14 Tage vor dem Ter-
Verkehrssicherungspflicht an. Die Vorschrift ist min abzusagen, gerät er bei kurzfristiger Absage des
erweiternd dahingehend auszulegen, dass die Zu- OP-Termins in Annahmeverzug und hat dem Arzt
ständigkeit der Schifffahrtsgerichte auch bei ande- trotz der nicht durchgeführten medizinischen Leis-
ren Amtshaftungsansprüchen gegeben ist, wenn die tungen eine Vergütung zu zahlen.
Pflichtverletzung in unmittelbarem Zusammenhang
mit der Tätigkeit eines Beamten zur Sicherung des Der Anspruch des Arztes ergibt sich aus dem zwi-
Verkehrs auf einer Wasserstraße steht.
schen ihm und dem Patienten geschlossenen ärztli- chen Behandlungsvertrag über die Durchführung ei- nes chirurgischen Eingriffs, § 611 i.V.m. § 615 BGB.
180 Info-Letter Versicherungs- und Haftungsrecht
Nach Auffassung des LG (welches das Urteil des AG Preis im Rahmen des Üblichen bewegt. Dies gilt auch, Meldorf voll bestätigte) befindet sich der Patient als wenn nach dem sog. Unfallersatztarif abgerechnet Dienstberechtigter bei Nichterscheinen zum verein- wird. Denn bei Anmietung von Unfallersatzwagen barten Operationstermin bzw. bei kurzfristiger Absage besteht eine andere Risikolage, die höhere Preise desselben nur 2 Tage vorher in Annahmeverzug gem. rechtfertigt. So wird die Zahlungsfähigkeit der Kun- §§ 293, 296 BGB. Bei Fernbleiben des Patienten ist den nicht überprüft. Bei Anmietung zum Normaltarif ein tatsächliches oder wörtliches Angebot der Leis- ist durch Abrechnung über die Kreditkarte Zahlung tung durch den Arzt nicht mehr erforderlich, so dass gesichert. Hinzu kommt, dass aufgrund unzutreffender der Patient ohne weiteres Verschulden in Annahme- Unfallschilderungen von Kunden es dazu kommen verzug gerät. Die Höhe des ärztlichen Vergütungsan- kann, dass die Versicherung des Unfallgegners nicht spruchs richtet sich in solchen Fällen nach §§ 611, in voller Höhe zahlt. 612 Abs. 2 BGB i.V.m. der GoÄ. Im Fall des AG Bad Homburg v.d.H. klagte ein mit- Die beklagte Patientin hatte einen vereinbarten OP- telständisches Abschlepp- und Mietwagenunterneh- Termin 2 Tage zuvor kurzfristig abgesagt. Der Arzt men erfolgreich restliche Miete aus einem Mietwa- hingegen hatte für die Patientin diese bestimmte Be- genvertrag ein. Der Beklagte hatte nämlich, nachdem handlungszeit und den Operationssaal nebst erforder- sein Pkw nach einem Verkehrsunfall einen Totalscha- lichem Personal fast 7 Monate im voraus reserviert den erlitten hatte, ein Ersatzfahrzeug angemietet. Da- und danach den restlichen Behandlungsablauf in der bei baute die Preistabelle der Klägerin auf der Preista- Praxis abgestimmt. belle des HUK-Verbandes vom 15.04.1993 auf, auf die sie einen 18%-igen Aufschlag vornahm, der dem LG Itzehoe, Urt. v. 06.05.2003 – 1 S 264/02 Zeitablauf seit diesem Datum Rechnung tragen sollte. Volltext-Service unter www.IVH.beck.de - becklink
99468 ■ AG Bad Homburg v.d.H., Urt. v. 06.02.2003 – 2 C Volltext-Service unter www.IVH.beck.de - becklink
fes
Wird ein Unfallersatzwagen ohne Vereinbarung

eines konkreten Mietpreises angemietet, ist ein
Mietwagenunternehmen berechtigt, den üblichen
Tarif abzurechnen, auch wenn es sich um einen
Unfallersatztarif handelt, der 18% über der Preista-
belle des HUK-Verbandes liegt.

Wird bei der Anmietung eines Fahrzeuges kein kon-
kreter Mietpreis vereinbart, ist ein Mietwagenunter- nehmen berechtigt, den üblichen Tarif abzurechnen.
Dabei kann durch Vorlage von Listen konkurrierender Anbieter dargelegt werden, dass sich der abgerechnete Impressum
Verlag: C.H. Beck oHG,
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Info-Letter Versicherungs- und Haftungsrecht Wilhelmstraße 9, 80801 München, Fax: 0 89/3 81 89-297 (Zeitschriftenabteilung). Tel.: 0 89/3 81 89-0, Fax: 0 89/3 81 89-297 e-mail: [email protected] Verantwortlicher Schriftleiter:
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schrift auch dann mitteilen, wenn kein Nachsen- des Verlags in irgendeiner Form – durch Fotoko- Bezugspreise 2003: halbjährlich € 98,- (darin €
deantrag gestellt ist. pie, Mikrofilm oder andere Verfahren – reprodu- 6,41 MwSt.) inkl. Internet-Volltext-Service. Hiergegen kann der Bezieher innerhalb von 14 ziert oder in eine von Maschinen, insbesondere Fakturierung erfolgt halbjährlich zu Beginn des Tagen nach Erscheinen dieses Heftes beim von Datenverarbeitungsanlagen verwendbare Bezugszeitraums. Einzelheft € 9,20 (darin € 0,60 Verlag widersprechen. Sprache übertragen werden. MwSt.), jeweils zzgl. Vertriebsgebühren. Druck: AB Color Druck, Hiltenspergerstraße 15,
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ISSN 1611-0986

Source: https://rsw.beck.de/rsw/images/news/ivh_15_2003.pdf

ctn.uoregon.edu

5990 • The Journal of Neuroscience, April 15, 2015 • 35(15):5990 –5997 Striatal D1- and D2-type Dopamine Receptors Are Linked to Motor Response Inhibition in Human Subjects Chelsea L. Robertson,1,5 Kenji Ishibashi,3,4 Mark A. Mandelkern,5,6 Amira K. Brown,3 Dara G. Ghahremani,3 Fred Sabb,3

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INSTITUTE OF FORENSIC SCIENCES AT DALLAS Office of the Medical Examiner Case: IFS-14-07742 - CC Decedent: Lockett, Clayton Derrell 38 years Black Male DOB: 11/22/1975 Date of Death: 04/29/2014 (Actual)Time of Death: 07:06 PM (Actual) Examination Performed: 05/01/2014 08:25 AM This autopsy is authorized by Governor Mary Fallin of the State of Oklahoma. This case involves a judicial execution in McAlester, Oklahoma.